Zulieferer oder Partner?
Die Geschichte der 444-Montagelinie beginnt mit einem Neukunden, einer Anfrage, und einer Grundsatzentscheidung: Sind wir Zulieferer oder Partner?
Das Projekt war klar umrissen, die ersten Gespräche mit dem Kunden geführt, und die Anforderungen des Endkunden – ein großer Automobilhersteller – präzise formuliert. Es gab ein ausführliches Lastenheft, welches uns, dem Maschinenbauer als Rahmen dient. Soweit alles wie immer. Nach Sichtung der Produktionsumgebung und innerhalb der technischen Konzeptionsphase zeigte sich jedoch, dass die im Lastenheft beschriebene Lösung nicht das Optimum für den Kunden darstellte. Was also tun?
Der Erfahrung nach sind die besten Automatisierungslösungen ein Resultat aus der Kombination der Kompetenz des Kunden (detailliertes Wissen zum Produkt und zum Prozess) und der Kompetenz des Automatisierers (Know how zu Automatisierungstechnik). Schnell war klar: Dieses Resultat erzielen wir nicht, wenn wir streng nach Lastenheft anbieten. Ein neues technisches Konzept musste her.
Der Weg zu einem neuen technischen Konzept:
Die Entscheidung war gefallen: Wir würden eine Alternative zur im Lastenheft beschriebenen Lösung erarbeiten. Einige Rahmenparameter konnten natürlich übernommen werden, doch der Grundgedanke war, noch einmal auf einem leeren Blatt Papier zu beginnen.
Die Bauteilgeometrie wurde unter die Lupe genommen. Bisher händisch umgesetzte Prozesse automatisiert, um Kapazitäten unter den Werkern freizumachen. Anlagen und Prozesse wurden so zueinander ausgetaktet und ausgerichtet, dass optimale Laufwege und Zeitabfolgen entstehen (One-Piece-Flow).
Das Ergebnis: Ein individuelles Angebot inklusive 3D-Visualisierung, um die neu konzeptionierte Lösung schon im frühen Stadium erlebbar zu machen.
Problem: Theorie vs. Praxis
Auf dem Papier war die Lösung ein klarer Fortschritt. Wir konnten den Automatisierungsgrad um 40% erhöhen, was trotz einer höheren Investitionssumme zu einem frühzeitigeren ROI (Return on Investment) für den Kunden führen würde. Doch der wichtigste Teil des Entwicklungsprozesses sollte noch vor uns liegen. Jeder, der bereits Projekte in der industriellen Automatisierung umgesetzt hat, weiß: Theoretische Konzepte und tatsächliche Praxis können mitunter sehr unterschiedlich sein. Ob Fehlkalkulation realer Produktionsbedingungen, oder das Nichtbeachten kleiner Details – es gibt viele Fehlerpotenziale auf dem Weg vom Papier in die Realität.
Lösung: Ein Workshop zur Evaluierung des Konzeptes
Es galt den Kunden zu überzeugen, dass das entwickelte Automatisierungskonzept den reellen Anforderungen standhält. Der naheliegende Weg, um dies zu beweisen ist, die Realität so präzise wie nur möglich zu simulieren. Kurzerhand wurden die verantwortlichen Projektleiter des Kunden zu einem gemeinsamen Workshop eingeladen, um das Know how unserer Firmen zu bündeln und das Konzept zu testen. Wichtige Bestandteile des Workshops waren:
- Ein Musteraufbau sämtlicher Montageeinheiten
- 3D-gedruckte Musterbauteile als Prototypen
- Ein Mockup der Benutzeroberfläche zur softwareseitigen Simulation
Alle Bestandteile wurden auf Basis des technischen Konzeptes vorbereitet, sodass ein gemeinsamer Test durchgeführt werden konnte. Durch den konstruktiven Input beider Seiten wurde das Konzept schließlich evaluiert, und die höhere Investition konnte kundenseitig dank des höheren Automatisierungsgrades argumentiert und freigegeben werden.
Das Ergebnis: Die verkettete 444-Montagelinie
Die Aufgabe der verketteten Montagelinie ist die teilautomatisierte Durchführung diverser Montage- und Prüfprozesse, um in Summe über 30 Einzelkomponenten zu einer komplexen Automotive-Interieur-Baugruppe zu vereinen. Insgesamt 10 Anlagen (9 Anlagen von LMZ + eine kundenseitig bereitgestellte Anlage) arbeiten mit 5 Werkern zusammen. Der Werkeranteil wurde durch das neue Konzept von 9 auf 5 reduziert (siehe 3D-Visualisierung). Die Montagelinie besteht aus folgenden Bestandteilen:
- Handarbeitsplätze zur maschinengestützten Montage
- Diverse automatisierte Montageprozesse inkl. mehrerer Robotersysteme
- Diverse automatisierte Prüfprozesse inkl. komplexer Kameratechnik
- Automatisierte End-of-Line-Prüfung (EoL)
- Datenbank zur vollständigen Rückverfolgbarkeit sämtlicher Bauteile
- Zweihandbestückung zur optimierten Bauteilbereitstellung
- Best-Point-Positionierung von Bauteilen und KLT’s (optimierte Greifwege)
- Integrierter Materialfluss ohne Eingriff in den Wertschöpfungsprozess
In Summe laufen 65% der Prozesse automatisiert. Die restlichen Prozesse sind im Sinne einer maximalen Wirtschaftlichkeit mit Werkeranteil ausgelegt, wobei sämtliche Verschwendung (Wartezeiten, Laufwege, etc.) aus dem Prozess ausgeschlossen wurde.
Fazit: Wie gelingt Partnerschaft?
Diese Erfolgsgeschichte zeigt Eines ganz deutlich: Echte Partnerschaft ist zwar ein Mehraufwand, doch es lohnt sich. Der Schlüssel liegt in einer offenen Kommunikation und einem ehrlichen Umgang. Dazu gehört beidseitige Wertschätzung für die Kompetenz des Gegenüber, sodass ein konstruktives Diskussionsklima entsteht.
Wenn zwei Seiten zusammenkommen, und ihre Kompetenzen bündeln, kann etwas Großartiges entstehen. Mit Mut zu neuen Wegen und dem Blick über den Tellerrand. In einem solchen Umfeld gelingt echte Innovation. Aus diesem Grund sind wir von LMZ besonders stolz auf das Ergebnis der verketteten 444-Montagelinie.